Neurodivergenter Künstler (Autist, Asperger), Buchautor, TV- und Filmproduktion, Speaker, Artistic Research: Armutsforschung (Klassismusforschung) Die Zukunft der Arbeit.

1991

Mit Wolfgang Bauer, H.C. Artmann trinken und diskutieren. Briefe an Friederike Mayröcker.

Der österreichische Dramatiker Wolfgang Bauer,  Autor von “Magic Afternoon” und vielen anderen Stücken, Weggefährte von Martin Kippenberger, Falco, Peter Handke, Mitbegründer der Lord Jim Loge, ruft meine Mutter an, um ihr zu sagen, dass es wichtig sei mich weiterhin auf meinem Weg als Künstler zu unterstützen. Im Sinne von “das wird schon”. Für meine Mutter ist das eine erhebliche Beruhigung. Für mich ein Akt der Solidarität, den ich nie vergessen werde. Die aufregende, radikale, linke Kunstszene ruft im biederen Lebensraum meiner Familie an und legitimiert mein anders sein. 

Die Kunstszene erklärt mich als Teenager ohne Werk zum Künstler. Da stehe ich also. Empowered und verpflichtet.

Das motiviert mich zwar, setzt mich aber auch unter Erwartungsdruck. Ich bin wie gesagt 16-17, überspringe folglich die “verlorenen Jahre” der jugendlichen Dauerparty’s und beginne sehr sehr viel zu arbeiten. Es gilt ein Werk zu schaffen. 

Da mein Vater mich später nicht studieren lässt, ich kein Stipendium oder sonstige Unterstützung erhalte, ich gleichzeitig einfach nicht mit der “Malocherwelt” zurecht komme, weil mein Kopf voller kreativer Prozesse ist, werde ich ein Kreativer ohne zu Hause, ohne Verortung. Ich werde als Künstler einfach in die Welt geworfen, wie das Überbleibsel einer durchsoffenen Nacht, als die Fantasie von alten Herren eines künstlerischen Geheimbunds, die in einem jungen Mann dessen Namen nach einer Droge klingt, etwas sehen wollen, was sie an ihre wilden Jahre erinnert. 

Die alten 68er lieben mich als wäre ich ein Produkt ihrer Kunst. Ich bin ihr Kunstwerk. Als solches lebt es sich jedoch mit Herausforderungen.

Für mich ist künstlerisches Schaffen daher eine Frage der Identität, der entstandenen Situation, mit der ich klar kommen muss, eben kein Beruf. Ich werde als Künstler geboren. Künstler zu sein ist der Lebenskonflikt, zunächst nicht die Antwort, oder das Werkzeug.

Ich fühle mich vor mir selbst verpflichtet, etwas aus diesem Geschenk und zugleich dem Fluch zu machen.  

Was denn auch sonst? Und die Kunst bietet einen Raum, um jene Ordnung zu erforschen, die unter der Oberfläche liegt. 

In einer Welt aber,  die auf Diplomen begründet ist, in der Menschen das tun was Geld bringt, habe ich nichts vorzuweisen. 

Ich entwickle daher eine eigene Sprache, ein eigenes Denken, werde zur Parallelgesellschaft, beginne die Zivilisation von vorne neu zu erarbeiten, denn ich werde in vielerlei Hinsicht von nichts getragen. 

Diese frühen 90er Jahre sind aber auch von vielen spannenden Begegnungen und Briefen mit Größen der damaligen Kunstszene geprägt. Von Friederike Mayröcker über H.C. Artmann, der von einer Magie in meiner Arbeit spricht, bis Milo Dor der zwar die Folter der SS überlebt, aber meine Texte für unerträglich hält. Meistens geht es in der Korrespondenz um Arbeitsbesprechungen über meine Texte, darüber dass alles zu lang und zu kompliziert ist, oder andere Probleme. Dazwischen wird mit denen aus der Grazer Szene getrunken und diskutiert.

Bauer erzählt mir am Küchentisch, wie er spät Nachts noch lange mit Friedrich Dürrenmatt telefonierte. Das ist für mich als Jugendlicher unglaublich faszinierend. Die Welt steht einem offen. Und es ist eine Zeit in der die Gesellschaft zu jungen Leuten noch sagt, geht hinaus, riskiert was, verändert die Verhältnisse!