Künstler, Buchautor, TV- und Filmproduktion, Speaker, Artistic Research: Armutsforschung (Klassismusforschung) Die Zukunft der Arbeit.

Eine neue Art der TV- und Filmproduktion

Bevor ich 2023 „Transferprotokoll“ machte, schrieb ich 2016 einen 100 Seiten umfassenden Brief an Liz Mohn (Bertelsmann/RTL), in dem ich eine Idee eines humaneren Fernsehens entwarf. Der theoretische Ansatz von “Organic Television” zielte darauf ab, das Fernsehen im Sinne des Menschen umzugestalten, indem es in ein Ökosystem des Wissens integriert wird, das mit der Gesellschaft verschmilzt. Ich forderte Liz Mohn, die Haupteigentümerin eines großen TV-Imperiums, auf, das Fernsehen neu zu gestalten, um die Realität umfassender, integrativer darzustellen und somit mehr Irritation, Emergenz und Leben in die Medien zu bringen. Mein Ansatz beinhaltete, dass die scheinbar objektive Information in den Medien durch neue Qualitäten ergänzt werden sollten, die eine breitere, integrierte Abbildung der Realität ermöglichen. Es ging nicht darum, dass was die Medien zum Ausdruck brächten falsch wäre, es wäre nur schlicht zu wenig. Und zwar qualitativ und im Abbilden der Lebensrealität der Menschen.

Die Vision für das neue Fernsehen, die ich in “Organic Television” beschrieb, lehnte sich an Jean Gebsers Konzept der Konkretion an, welches auf eine Verdichtung der unterschiedlichen Ebenen und Formen von Wissensverarbeitung in einem ganzheitlichen Lebensraum des Menschen darstellte. Ich sah die Herausforderung darin, dass Menschen sich selbst in einer überwiegend submergenten (verflachten/kommerzialisierten) Welt zunehmend als Widerstand, ausgegrenzt, nicht gemeint und nicht vorkommend, also als Irritation erlebten, sich daher im Grunde nicht in den vordefinierten Strukturen anpassen sollten. Es ging darum mehr Realität in die Medien zu bringen, sozial, individuell, subjektiv und radikal ausgewogen, ohne Epistemische Ungerechtigkeit und ohne Kreativität hemmende Tabus.

Mein Ansatz kritisierte die aktuelle Darstellung von Information in den Medien und forderte eine grundlegende Hinterfragung dieser Darstellung. Ich argumentierte, dass die Submergenz (Verflachung, Gleichmachung) innerhalb der öffentlich-rechtlichen Anstalten die Notwendigkeit einer Veränderung verdeckt und dass die Fernsehanstalten sich einer emergenten Entwicklung verantwortungslos verschließen würden.

Zusammenfassend war und ist mein theoretischer Ansatz von Organic Television eine Aufforderung, das Fernsehen und die Medien so umzugestalten, dass sie ein integraler Bestandteil des gesellschaftlichen Ökosystems werden, das die Realität in ihrer ganzen Breite und Tiefe abbildet und die Menschen dazu ermutigt, sich selbst und die Welt um sie herum in einer lebendigen und emergenten Weise auch in den Medien zu erleben.

Wie das gehen könnte entwarf ich in dem Buch „Organic Television“.

Der nächste Ansatz war es die TV- und Filmproduktion an sich, vereinfacht ausgedrückt zu entprofessionalisieren, also beispielsweise wieder zum Autorenfilm zurückzukehren, die subjektive Fehlerhaftigkeit, das unmittelbare Erleben neu zu integrieren. Also möglichst persönliche Filme zu machen, die auf dem selbst Erlebten beruhen, um zu dem Stoff, den Inhalten zu gelangen, die im Gegensatz zu Hollywood oder Tatort tatsächlich etwas mit der Lebensrealität der Menschen im Land zu tun hätten.

Der Film Transferprotokoll war mein erster Versuch in dieser Richtung. Ich wollte einen politisch-aktivistischen Film, der auch mal die Gemütlichkeit konventioneller Erzählweise ignoriert, weil es heute vielleicht wieder Wichtigeres gibt, nämlich sich über das Unrecht in der Welt aufzuregen. Meine Arbeit zählt sicherlich zu dem was engagierte Kunst genannt wird. Denn mir war schon immer der Formalismus in dem Sinne egal, weil ich Kunst als Werkzeug der Intervention begriff. Lieber das Werk als “Haudrauf” gegen die Missstände der Gesellschaft in Stellung bringen und dabei zulassen, dass das Werk Schrammen bekommt, als sich zu sehr in in sich abgeschlossener Ästhetik. für die zurückgelehnte ZuschauerIn oder LeserIn zurückzunehmen. 

Mein Verständnis von Film ist es daher komisch, angreifbar und direkt zu sein und dabei möglichst nicht einen Film machen zu wollen, der auf Festivals gewinnt, sondern der gesellschaftliche Missstände bekämpft. Da bin ich sehr anders als die Fraktion von “Kunst sollte keinen Inhalt, gar eine Message” haben. 

Transferprotokoll ist ein Angebot an eine andere Haltung in Fernsehen und Film. Subjektiv, migrantisch, angreifbar, gegen Rassismen, aber zugleich sehr menschlich, im Versagen. 

Transferprotokoll entstand mit gerade mal 7000 Euro Budget. Ich machte fast alles selbst. Vom Buch, bis allen 3D Effekten, Schnitt usw… Natürlich ist nicht alles Perfekt. Das aber ist eben hier komplett egal. Es ging darum etwas zu tun, wozu der ganze Apparat bei ZDF und ARD usw… allein nicht fähig ist, nämlich authentisch, improvisierend zu produzieren, als ginge es dabei um die eigene Existenz, was es bei mir ja tat. 

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