Begegnung mit Frithjof Bergmann
Schon einige Jahre früher lese ich sein Buch „Neue Arbeit, neue Kultur“. Ich bin fasziniert. – Wir befinden uns im Hörsaal einer Universität in Potsdam. Frithjof Bergmann hält gerade einen Vortrag. Im Anschluss spreche ich ihn an. Er gibt mir seine Visitenkarte. Mehrmals versuche ich ihn über die Jahre zu erreichen. Nach „Radical Worker“ will ich ihn erneut kontaktieren, aber es kommt nie zu einem von mir erhofften Arbeitsgespräch.
Der Gedanke von „New Work“ ist für mich und meine Arbeit natürlich prägend, wenn auch die Ansätze sehr verschieden sind. Während er überwiegend von Unternehmen beauftragt, an neuen Formen der Arbeit forscht, tue ich dies weitgehend unerlaubt. Denn es sind komplett andere Grundbedingungen.
Im Deutschland der 90er und der 2000er Jahre herrscht noch immer der kirchliche Arbeitsethos vergangener Zeiten. Die großen Freiheitsexperimente enden mit der New Economy und was dann noch bleibt, sind kleine Freiräume, die sich das höhere Bürgertum von Prenzlauer Berg bis München gönnen, um in Workshops oder Wochenendseminaren von einer freieren Arbeitswelt zu träumen, die man aber nur umsetzen will, wenn es möglichst kein Risiko bedeutet, gar das relativ hohe Gehalt schmälert. Die Argumente dafür sind daher überwiegend positivistisch angelegt, eben nicht wirklich systemkritisch.
Das jedenfalls ist mein Erleben, in vielen Konzernen und Projekten dieser Zeit. An diesem Punkt schwindet dann auch die Solidarität der „New Work Bewegung“ für meine Arbeit. Ich erinnere mich noch an Streitgespräche mit Tom Lamberty vom Merve Verlag, der meinen Ansatz komplett ablehnt, als ich vor der Zentrale von Red Bull drohe einen Stier zu töten, um eine andere Form der Arbeit durchzusetzen.
New Work ist ein Konzept das traditionell von oben kommt, also aus dem höheren Management. Meine Arbeit zeigt was passiert, wenn es von unten hochkocht, wenn neue Formen der Arbeit aus Widerstand, aus Gewissensgründen, aus unmittelbaren Konflikten mit der Frage nach der Zukunft der Arbeit hervorgehen. New Work klingt sehr anders, wird es von Marginalisierten, von Unterdrückten, von Ausgegrenzten eingefordert.
Es kommt daher zu einer Klassenspaltung zwischen denen die New Work überspitzt gesagt, als modisches Accessoire ihrer Erwerbstätigkeit sehen wollen, auch um weitere, radikalere Schritte auszublenden, und jenen deren Existenz davon abhängt, dass die Arbeitswelt sich sofort komplett verändert. Natürlich passiert auch in diesen Workshops und Managementkursen viel Positives und Wertvolles, aber es hat eben eine andere Qualität.
Die Kompatibilität dieser zwei Welten ist gleich Null. Obwohl gerade dieser Austausch für die flächendeckende Umsetzung wirklich neuer Arbeitsformen, den Durchbruch bringen könnte. Auch der „Digital Bohème“ mangelt es an politischem Bewusstsein.